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Citizen Journalism – eine „neue“ alte Form für die Beschaffung von Inhalten der Medien

19. Januar 2011

Citizen Journalism - der "Bürger-Reporter" hat Zukunft

Viele „Professionelle“ hassen den „Bürger-Reporter“ wie die Pest. Weil er ihnen angeblich die Butter vom Brot nimmt. Dabei ist der Citizen Journalist eine Form der Inhaltsbeschaffung aus der Frühzeit der Zeitung. Schon im frühen 19. Jahrhundert forderten die Zeitungsverleger ihre Leser auf, Artikel fürs Blatt einzureichen. Also keine Erfindung des Web 2.0, nur eine „Renaissance“ von etwas, das es schon (immer?) gab. Und der Bürger-Journalist nimmt nicht zwingendermaßen dem Professionellen das Brot weg.

Die Angst der „Profis“ vor dem Bürgerjournalisten

Kein Freund der Bürgerreporter ist gewiß ein Mann (eine Frau? nein, eher nicht, Frauen neigen weniger zu Unflätigkeiten), den ich unter dem Namen Dr. Spalter kennenlernte (kennenlernen durfte?). Wenn ich nicht sehr falsch liege und ich seine (schriftlichen) Aussagen mir gegenüber richtig interpretiere, dann war Dr. Spalter, glaube ich, mal Psychotherapeut. Was mich verwundert, denn in der Kommunikation mit ihm fiel mir gegenüber auch mal das Wort „Sesselfurzer“.  M.E. kein geigneter therapeutischer Ansatz.  Aber eben durchaus ein Ansatz, Menschen zu titulieren, die einem nicht „in den Kram passen“. So sicher auch jeden, der  „eingefleischten“ und „ernsthaften“ „Voll-Profis“ (angeblich) Konkurrenz macht.

Der „ernsthafte“ Profi? Komisch, warum erinnert mich das eigentlich so sehr an den „ernsthaften Amateur“ der zahlreich debattierenden Fotoclubs in diesem unserem Lande? Doch belassen wir es dabei. Die Person, die hinter dem Troll „Dr. Spalter“ steht, ist sicher arg gefrustet von der (angeblichen) Krise des Journalismus. Man mag denjenigen vielleicht sogar ein gewisses Verständnis entgegenbringen, die dereinst als „Profis“ ziemlich allein darüber entschieden haben, welche Artikel und welche Fotos ins Blatt kommen und dem Konsumenten, dem Leser, die Leserbriefecke als Plattform seiner (gefilterten) Meinungsfreiheit zur Verfügung stellten. Und den Zeitungsleser-Fotowettbewerb.

Denn vergessen wir eines nicht: Pressefreiheit in den „klassischen“ Medien bedeutete auch, daß Verleger und Redakteure ihre Meinung frei äußern konnten und ihre Sicht der Dinge und der Welt. Je nach Ausrichtung des Blattes von „intellektuell“ und „hochgeistig“ bis „volksnah“.

Web 2.0 aber hat die Medien-Landschaft verändert.

Es sind nicht mehr nur die Blogger, die Informations-Content anbieten. Die „klassischen“ Anbieter mussten darauf reagieren und auch ihrerseits in ihren Online-Ausgaben und Websites den Konsumenten zu beteiligen versuchen. Nicht zuletzt auch, um eine Bindung ans Blatt zu erreichen (auch der Print-Ausgabe oder TV-Sendung) und ein „Abwandern“ zu den Bloggern zu verhindern. So gibt es Videos eben nicht mehr nur auf YouTube oder bei anderen Communities, sondern auch auf den Webseiten von Zeitungen.

Und um all diesen neuen Bedarf zu bedienen, da reicht eine Online-Redaktion nicht aus. Und auch nicht mehr nur alleine die Angebote der Nachrichtenagenturen (die z.T. 100,– Euro für eine Sekunde (!) Video verlangen). Freie Produzenten, auch talentierte Hobby-Filmer und Hobby-Fotografen, sind hier nun gefragt. Und wenn jemand noch eine flotte Schreibe hat, eine Story packend rüberbringt, oder eine gute „Sprecher-Stimme“ im Film, umso besser. 

Bürger-Journalismus ja – aber bitte nicht kostenlos

Wir wollen etwas nicht verschweigen: viele, die nun dem Bürgerreporter auf ihren Web-Präsenzen die Möglichkeit bieten, Artikel, Bilder und Filme einzustellen, sind nicht fair. Denn sie bieten diese Möglichkeit für lau, honorarfrei, mit dem Recht, das Material auch im Print verwenden zu dürfen. Ebenso honorarfrei. Das ist sehr clever, wenn es um die Frage der „Kostendämpfung“ geht, aber es ist auch eine Form der Ausbeutung. Und die Honorarfreiheit geht „echten“ Freien dann eben tatsächlich ans Portemonnaie. Und darauf sollte sich der Citizen Reporter nicht einlassen. Denn immerhin erbringt er auch eine Arbeitsleistung. Und keine Arbeit sollte für lau sein. Und auch kein Ein-Euro-Job.

Interessante Geschichten finden ihren Markt

Und damit sind wir beim Kernpunkt. Es gibt Plattformen, auf denen der Bürger-Journalist seine Arbeiten gegen Honorar vermarkten kann.

Persönliche Empfehlung: tvype.com

Sie alle aufzählen zu wollen wäre vergebliche Liebesmüh. Ich möchte mich auch beschränken auf Plattformen und Agenturen, mit denen ich selbst gute Erfahrungen gemacht habe. Weshalb ich tvype.com durchaus empfehle. Die Registrierung ist einfach. Nach Abschluß kann man beginnen, Material (Fotos und Videos) hochzuladen, die man für „news-worthy“, für nachrichtenrelevant hält. Story-Texte können bei Foto oder Film hinterlegt werden und man kann selbst den Preis festlegen.

Die Moderation und Freigabe oder Ablehnung des eingestellten Materials geht zügig vonstatten. So zügig, wie man es bei nachrichtenrelevanten Fotos und Filmen auch erwarten kann. Sollen die doch schnell am Markt verfügbar sein („Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern!“).

Features zu wiederkehrenden Ereignissen, den Alltag im Fokus

Leider nicht mehr am Markt ist Scoopt. Das war eine britische Agentur für Citizen Journalists. Wurde von Getty gekauft und dann kurz nach der Übernahme eingestellt. Warum? Man werfe einfach einen Blick in die FAQ der noch existierenden Site von Scoopt und lese auch zwischen den Zeilen. Und dann wird man auch klar erkennen, daß der Markt für diese Art von Material, der Markt für user generated content, nämlich klar existiert.

Siehe auch/verwandte Artikel:

Von Freelens: G-Day Jahreszeiten Verlag

1. Juli 2009

MYSELFGrade eingetroffen von Freelens:

Liebe Fotografinnen und Fotografen, liebe Unterstützer,

 
morgen, Donnerstag 2. Juli um 8.30 Uhr ist der erste G-Day.

Morgen treffen sich Fotografen und Unterstützer vor dem Verlagsgebäude des Jahreszeiten-Verlages im Poßmoorweg 2, Hamburg
 
Das Motto für morgen: Wir entscheiden selbst, wann und an wen wir welche Fotos verschenken.
 
Kommt ALLE!
 
Lutz Fischmann / FREELENS blog.freelens.com / www.freelens.com

P.s.: Heute hat der 4.000 Fotograf den Appell gegen die aktuellen Verträge des Jahreszeiten-Verlages unterschrieben – dafür danken wir euch ganz herzlich.

Das Sonderkonto für die Zeit-Anzeige:
Kontoinhaber: FREELENS e.V.
Stichwort „Anzeige“
Konto: 1226127304
BLZ: 20050550
Bank: Hamburger Sparkasse
 
 
English version below:
 

Dear photographers, dear supporters,

tomorrow, Thursday July 2nd at 8:30 AM, will be the first „G-Day“

Tomorrow all photographers and supporters will meet in front of the Jahreszeiten Publishing House in Hamburg, Possmoorweg 2.

The motto of tomorrow: We decide by ourself, when and to whom we will spend our photos.

See you tomorrow!

Lutz Fischmann / FREELENS blog.freelens.com / www.freelens.com

P.s.: Today the 4,000th photographer signed the petition against the current agreements laid down by the Jahreszeiten publishing house – thank you very much indeed for your support!

Gleiches Thema beim DJV:
http://bildjournalist.djv-online.de/?p=375

Quo vadis, Fotojournalismus?

10. Juni 2009
Skepsis ist angesagt ...

Skepsis ist angesagt ...

Es ist Skepsis angesagt für Freie in der Medienbranche. Denn was da momentan so abgeht, das ist schon bemerkenswert. „Geiz ist geil!“ scheint in allen Bereichen, in denen es darum geht Löhne oder Gehälter oder Honorare zu bezahlen zur Devise zu werden. Die Abzocker finden sich nicht nur bei den Bankern, nicht nur bei Arcandor investieren die Eigentümer nullkommanix zum Erhalt der Arbeitsplätze. Es stellt sich einem ernsthaft die Frage, wohin es gekommen ist mit so Werten, die man Anstand und Moral nennt. So etwas wie soziale Verantwortung.

Journalisten haben nicht nur Probleme mit Unternehmen (was Gegenstand des Heftes 06/2009 von journalist ist, dem Organ des DJV, dessen Titel und Aufmacher ich stolz bin zu „zieren“), nein, sie haben auch mit quasi ihren eigenen Unternehmen, ihren Vertragspartnern, Probleme, mit den Medienhäusern.

Erhalte ich doch ein Schreiben vom Chef vom Dienst einer Mediengruppe, die Tageszeitungen im norddeutschen Raum herausgibt.

Es geht um den Relaunch des Internet-Auftritts und die in dem Zusammenhang „angepassten“ Honorarsätze für Online-Verwendungen und zeitgleiche Print- und Online-Verwendungen.

Ich kam aus dem Staunen und Kopfschütteln gar nicht mehr heraus.

Je mehr die verwenden, desto geringer wird das „Honorar“ pro Bild!

Am Ende liegt das unter einem Euro.

Ich habe mich schon ernsthaft gefragt, ab wann ich dem Verlag etwas bezahlen muss, wenn sie meine Bilder verwenden …

Ich habe dem „Kollegen“ (mit Cc an den DJV) eine Mail geschickt, die ich gerne nachstehend bekanntgebe.

Sehr geehrter Herr …. ,

Ihr o.g. Schreiben haben wir mit einem Anflug ungläubigen Erstaunens gelesen und uns in der Tat gefragt, ob das Ihr Ernst ist, was Sie da zum Besten geben.

 Langer Rede kurzer Sinn:
Ihr sog. „Angebot“ wird von uns abgelehnt!

Ich möchte aber durchaus noch ein paar Worte dazu verlieren.

Wenn ich so Ihre Honorartabelle durchgehe, dann sehe ich das doch wohl so, daß das Honorar mit steigender Anzahl Verwendungen pro Bild immer geringer wird.

Schlußendlich toppt es gar Microstock.

Insofern würde ich doch empfehlen, für Ihren Illustrationsbedarf gleich dort einzukaufen.

Und sicher gibt es auch Heerscharen von Hobby-Knipsern und sogenannten „Citizen Journalists“, die sich über solche Almosen freuen.

Wir nicht!

Wir wollen mit unserem guten Material nämlich auch gutes Geld verdienen.

Deswegen gelten für unser Material ausschließlich unsere Konditionen. Und das sind die MFM-Honorare.

Auch denke ich nicht, daß Sie selbst beispielsweise (mir sind so die Gehälter von CvD’s durchaus geläufig) zu solchen Konditionen auch nur einen Finger krümmen würden. Sorry, aber nix für ungut.

Erlauben Sie mir auch noch den Hinweis, daß es doch sehr verwunderlich ist, wie Sie „Zweitverwendung“ auslegen. Denn ein „Gebietsschutz“ in Ihrem Einzugsgebiet ist nach gesicherter Rechtsauffassung klar eine Erstverwendung. Oder sollte ich da so fehlinformiert sein?

Und „kostenlose Nutzungen“ sind an Unverschämtheit nicht mehr zu übertreffen! Es ist erschütternd, wenn Journalisten Kollegen solche Ausbeuterkonditionen anbieten. In meinen Augen nicht mit dem Ethos des Berufsstandes zu vereinbaren.

Last but not least: sollten Sie Bildmaterial von uns digital oder analog archiviert haben, so ist dieses umgehend zu löschen.

Mit freundlichen und kollegialen Grüßen

Dipl.-Verw.wirt
Franz Roth

Mal so ganz nebenbei in dem Zusammenhang: wer die üblichen Konditionen kennt, ist klar im Vorteil. Und setzt sich nicht dem Risiko aus, solche unmöglichen „Angebote“ zu akzeptieren. Denn, vergessen wir nicht: Die Honorarsituation für Freie ist seit guten zwei Jahrzehnten stagnierend. Früher (ewige wehmütige Notalgie!) war Pressefotograf ein interessanter Beruf mit einem halbwegs vernünftigen Einkommen. Heute hingegen soll es glaubhaften Gerüchten zufolge bereits zur Genüge Kollegen geben, die lieber Taxi fahren …

Deswegen hier ein Link zur entsprechenden Informationsseite des DJV:

http://www.djv.de/Honorare.517.0.html

Und in dieser Tabelle stehen ganz am Ende auf der letzten Seite auch die üblichen Honorare für Bilder auf dem aktuellen Stand 2009. Auch nicht so ganz uninteressant zu sehen, was die Kollegen Festangestellte so verdienen (CvD-Gehälter sind da natürlich nicht drin, die unterliegen freier Vereinbarung und liegen deutlich über den Redakteursgehältern).