Ich möchte mal zwei Plätze in zwei Städten präsentieren, den Willy Brandt Platz in Nürnberg und den Joseph Krekeler Platz in Pirmasens.
Im Video zunächst der Nürnberger Willy Brandt Platz.
Der Willy Brandt Platz mit der Plastik des Altkanzlers ist ein modern gestalteter Platz, aber dennoch aufgelockert durch die Wasserspiele und die Sitzmöglichkeiten mitten auf dem Platz. Und rund um den Platz ist städtisches Leben.
Auch der Pirmasenser Joseph Krekeler Platz vor dem Forum Alte Post ist ein modern gestalteter Platz.
Aber, und das ist ein großes Aber, dieser Platz lädt nicht unbedingt zum Verweilen ein: Wenige Sitzgelegenheiten. Und die am Rande. Auch eine Plastik. Aber auch am Rande. Die große ungenutzte Fläche vor dem Gebäude der ehemaligen Königlich Bayerischen Post erschlägt einen geradezu. Hier verweilt niemand, die wenigen Passanten, die wir bei unserem Besuch (an einem Werktag, wohlgemerkt) gesehen haben, querten den Platz – und fertig.
Und rund um diesen Platz pulsiert kein städtisches Leben.
Nun, mag der ein oder andere sagen, eine Großstadt und eine Mittelstadt miteinander zu vergleichen, das sei wie die Sache mit den Äpfeln und den Birnen.
Sehe ich nicht so.
Ob eine halbe Million Einwohner oder nur 40.000, das ist eine Zahlengröße, aber nicht mehr. Und sicher nicht die Richtschnur allein für Stadtplaner und Stadtentwickler.
D – Nürnberg, Marienstraße, Innenstadt, City, Wohn- und Geschäftshäuser am Willy-Brandt-Platz
Nein, es kann nicht nur darum gehen, einen Platz anzulegen, weil da eben Platz ist, es geht darum, im städtischen Raum auch Lebens- und Freizeiträume zu schaffen. Und diesbezüglich muss ich sagen, da gibt es beim Joseph Krekeler Platz in Pirmasens noch Nachholbedarf.
Über Paris hatte ich schon einen Artikel geschrieben. Doch ein Artikel ist nicht ausreichend, die unbeschreibliche Faszination zu vermitteln, die von der französischen Hauptstadt ausgeht, von dieser Welt-Metropole. Die ja einiges mehr in petto hat als die allseits bekannten touristischen Sehenswürdigkeiten wie Sacre Coeur, Notre Dame oder Eiffelturm.
Deswegen möchte ich in meinem zweiten Beitrag die etwas weniger bekannten und geläufigen Ansichten dieser Stadt noch etwas mehr betonen. Sozusagen „Paris inside“, „Paris dedans“, gesehen von einem Insider („Connaisseur“ auf französisch), der mit der Stadt und ihren Menschen vertraut ist. Mein persönliches Paris.
Ich als Fotoreporter in Paris, nahe Place de la Bastille, Februar 1986
Mein persönliches Paris, das ist das Paris, der Stadtviertel, des Quartier. Und das hat vielfach wenig zu tun mit dem Paris der Klischees, mit der Seine-Metropole, der Stadt der Liebe und des leichten Lebens.
Paris „en interieur“ hat so viele Gesichter, daß nicht umsonst Generationen von Reportern ein Leben lang damit beschäftigt waren, diese Stadt und ihre Menschen zu dokumentieren und sie und ihr Leben in Bild und Film festzuhalten. Auch ich könnte die Mammutaufgabe einer umfassenden fotografischen Dokumentation nicht leisten und so wird auch dieser Artikel wieder nur ein Anriß sein können.
Aber einer, der vielleicht Lust darauf macht, auf eigene Entdeckungsreise zu gehen in das Innenleben von Paris.
Street Photography im klassischen Sinne soll daher heute mein Thema sein, und zum Teil auch im klassischen Schwarzweiß. So wie das Bild unten von einem Süßigkeiten-Verkaufsstand in der Nähe der Place de la Bastille.
Auch die etwas anderen Ansichten Pariser Sehenswürdigkeiten will ich präsentieren. So leer und frei von Autos sieht man die Pariser Oper nicht oft. Nur ein einsamer früher Pendler, der die Metrostation verläßt. Um zu solchen Aufnahmen zu kommen muß man früh aufstehen. Ein Sonntagmorgen war das, sieben Uhr. Der einsame Passant sicher Kellner in einer der Bars, Cafés und Restaurants rundum auf dem Weg zur Arbeit.
Denn an einem Samstagabend, um 20:00 Uhr, wenn tout Paris ausgeht um sich zu zerstreuen und zu amüsieren, dann sieht es an l’Opera ganz anders aus.
„Flic“ regelt den Verkehr, Opera
Ein Teil der Pariser ist schon unterwegs zum Vergnügen, derweil der andere Teil sich noch auf dem Weg von der Arbeit nachhause befindet. Es herrscht ein unbeschreibliches Verkehrschaos, verstopfte Straßen und Gassen, hektisches Hupen, Nervosität.
Zurück ins Quartier. Ins Viertel. Den wahren Lebensraum des Parisers. Er ist mit seinem Viertel verwurzelt. Der „kleine Mann“ in den Vierteln der kleinen Leute. Die Reichen und die Schönen in den noblen Vierteln. Rund um die Place Vendôme etwa. Das wahre Pariser Leben spielt sich in den Stadtvierteln ab. Und die sind wie lauter Städte in der Stadt. Jedes Arrondissement ist eine eigene kleine Stadt. Die Quartiers sind Lebensmittelpunkt. Eigentlich verläßt man sein Viertel nur, um auszugehen und zur Arbeit, wenn dies in einem andern Teil der Stadt ist. Die Bar um die Ecke, wo man sich abends trifft. Dort spielt sich das Leben ab. Mit seinen kleinen und großen Dramen. Seinen kleinen und großen Freuden.
Paris ist auch eine Stadt im ständigen Wandel. Schon im 19. Jahrhundert wurden die alten Festungswälle niedergerissen, um breite Boulevards anzulegen. Der Name Boulevard weist noch darauf hin. Denn Boulevard ist das französische Wort für Bollwerk. Und die Boulevards wurden keinesegs angelegt, um breite Prachtstraßen zu sein, sondern um auf den Pariser Pöbel („le peuple“, das Volk), so er denn mal wieder Revolution zu machen gedachte, besser mit Kartätschen schießen und die Kavallerie zum niederhauen zum Einsatz bringen konnte.
Und so zeigt sich auch heute in Paris immer wieder der Verfall einerseits, und sei es, daß die Leuchtreklame eines Selbstbedienungs-Restaurants defekt ist, und andererseits die Renovierung alter Häuser in den Vierteln. „Avec charactére“, also eine Luxussanierung, die die Alteingesessenen aus ihren Häusern und Stadtvierteln vertreibt, weil sie sich die Wohnung nicht mehr leisten können.
Verfall und Luxus-Sanierung, vielfach zu Lasten der Armen und Alten im Quartier
Wie nah sich das Paris des Glanzes und der touristischen Attraktionen, das Paris der Bohéme, des leichten Lebens und das Paris der Armut allenthalben sind, läßt sich auch aus unserem kleinen Film „Paris im Herbst“ leicht ersehen (Kamera: Roland Schmitt).
Und die Stadt Paris kämpft nicht nur permanent gegen den Smog, der alle Bauwerke schnell wieder schwarz werden läßt, wenn sie grade frisch sandgestrahlt sind, so wie hier das Pariser Rathaus.
Paris kämpft auch im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Scheiße an. Gegen Hundekacke.
Denn auch die ist allgegenwärtig wie die Hunde selbst. Und die müssen nun halt mal, die armen Viecherl. Und nicht jeder Hundebesitzer empfindet große Freude daran, die Tretminen seines Lieblings auch wieder mitzunehmen und schuhsohlenverträglich zu entsorgen.
Ich beende diesen Artikel mit einem „versöhnlichen“ Bild. Sacre Coeur von hinten. Ein Wintermorgen auf dem Montmartre.
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